Wir - gemeint sind 20 Studenten - warten in einem Seminarraum auf unseren Dozenten, der uns mit der Kunst des Verhandelns vertraut machen soll. Der Dozent betritt pünktlich den Raum und legt sofort los.

Bevor er an die theoretischen Grundlagen drangeht, möchte er mit uns eine kleine Übung durchführen. Dazu teilt er uns in zehn Zweiergruppen auf. Jeder erhält ein Blatt mit Anweisung, die er sich in Ruhe durchlesen soll.

Ich bin Vertreter eines amerikanischen Großkonzerns, der in Australien einen Deal über den Kauf seltener Straußeneier abschließen soll. Auf meinem Flug nach Sydney begegne ich einem Konkurrenten, der ebenfalls die Eier kaufen möchte. Die Aufgabe ist klar: Handeln Sie mit Ihrem Konkurrenten einen Deal aus, bevor Sie den Verkäufer aufsuchen. Ziel ist, so viele Eier wie möglich zu den günstigsten Konditionen zu ergattern. Ihr Konkurrent hat wahrscheinlich das gleiche Ziel.

Nachdem wir die Aufgabe durchgelesen haben, bittet uns der Dozent, einen ruhigen Ort aufzusuchen, um die Verhandlungen zu führen. Er gibt uns 30 Minuten Zeit, um ein Deal auszuhandeln. Ich ziehe mich mit einer Komilitonin in eine Ecke des Universitätsgebäudes zurück. Wir beginnen unsere Diskussion ganz locker, kommen dann aber doch recht schnell zu Sache.

Wie sollen wir uns einigen? Wir wollen beide die Straußeneier, so viel ist klar, doch wie können wir einen Deal finden, um unseren Auftraggeber zufrieden zu stellen?! Wir beginnen schnell zu feilschen?! Ich sage 60/40. Mein Gegenüber lehnt es ab und schlägt 50/50 vor. Zu einem besseren Ergebnis werden wir kaum kommen. Wie wäre es, wenn wir uns dann wenigsten darauf einigen, dem Verkäufer einen günstigen Preis vorzuschlagen? So können wir zumindest etwas Geld sparen. Die Vertreterin stimmt zu. Ich werde skeptisch. Kann ich ihr trauen?! Was ist, wenn sie dem Verkäufer dann doch einen höheren Preis bietet und alle Eier kriegt?! Ich frage nach, was ihre Vorgaben sind. Sie antwortet zögerlich. Offensichtlich traut sie mir ebenfalls nicht. Am Ende bleibt es bei den 50/50 Deal, mit der Vorgabe dem Verkäufer einen günstigen Preis pro Stück zu unterbreiten.

Glücklich sind wir beide nicht mit diesem Übereinkommen. Wir trauen uns nicht über den Weg und ich meinerseits plane bereits, dem Verkäufer einen höheren Preis zu unterbreiten, um meine Konkurrentin auszubooten. Doch die Zeit ist um und wir müssen dem Dozenten unsere Ergebnisse präsentieren. Fast einheitlich handelten wir den gleichen Deal aus. Nur Einer lies sich über den Tisch ziehen; er stimmte einer 60/40 Teilung zu.

Der Dozent schmunzelt über unsere Ergebnisse und stellt die Frage:

Welche Aufgabe hatten Sie eigentlich?!

Einer antwortet:

So viele Straußeneier wie möglich zu ergattern.

Andere stimmen zu. Er bohrt nach:

Wofür benötigt Ihre Firma diese Straußeneier?

Ein Kommilitone sagt, dass die Eierschale bestimmte Stoffe enthält, die seine Firma für Medikamente benötigt. Das war auch meine Aufgabe. Ein anderer lenkt ein, dass seine Firma nur den Eierinhalt brauche, um schmackhafte Delikatessen zu produzieren.

Stille.

Der Groschen ist gefallen. Wir schmunzeln nun alle.

Diese kleine Übung war der Auftakt zu einem der interessantesten Seminare, die ich während des Studiums besuchte. Die erste Lektion haben wir alle gelernt. In diesen 30 Minuten lernten wir alle, was man in Verhandlungen nicht tun sollte und warum man es dann doch tut. Feilschen um Positionen nennt sich dieser Verhandlungsstill und er führt selten zu einem guten Ergebnis. Anstatt zu ergründen, welche Interessen ich und mein Gegenüber haben, begannen wir sofort mit dem Gerangel um Positionen. Offensichtlich wussten wir genau, was der Andere will. Und warum haben wir gezögert, dem Konkurrenten offen zu sagen, was unsere Interessen sind?! Weil wir ihm nicht trauten. Der Rest des Seminars bestand daraus, dieses Problem zu lösen. Wie kann ich eine Vertrauensbasis aufbauen, damit ein offener Austausch von Informationen zu einem guten Verhandlungsergebnis führt?

In diesem Zuge lernte ich das Harvard-Konzept kennen, das eines der besten Modelle für Verhandlungen ist.

Warum man nicht über Positionen verhandeln sollte

Wir sind so getrimmt, zu glauben, dass jede Verhandlung ein Nullsummenspiel ist. Einer gewinnt, was der Andere verliert. Bestenfalls glauben wir an einen Gleichstand. Und genauso so verhandeln wir dann auch.

Manche entwickeln sich zu Haien, die um keinen Preis verlieren möchten. Und meistens gewinnen Sie auch. Doch diese harten Verhandlungsführer sind sehr unbeliebt. Sie gehen sprichwörtlich über Leichen. Die Beziehungsebene mit dem Verhandlungspartner spielt bei diesen Menschen kaum eine Rolle und leidet enorm.

Andere wollen gerade die Beziehung nicht gefährden und lassen sich lieber alles aufschwatzen. Ein harter Verhandlungsstill liegt Ihnen nicht, deshalb entwickeln sie einen weichen Still, der nicht nur die Personen sondern auch das Problem sanft behandelt. Am Ende leiden sie am meisten.

Das Harvard-Konzept möchte gerade diese Schwächen ausmerzen. Schauen wir uns das mal genauer an.

Das Harvard-Konzept

Es sind fünf Empfehlungen, die Verhandlungen erfolgreicher machen sollen. Diese Empfehlungen bemühen sich die problematischsten Tücken zu minimieren, damit es zu einem Ergebnis kommt.

Den Autoren Roger Fisher und William Ury geht es vor allem Dingen um Ergebnisse, die alle Parteien befriedigen sollen. Sie glauben nicht, dass es in einer Verhandlung immer einen Gewinner und einen Verlierer geben muss. Wenn klug agiert wird, dann kann es auch nur Gewinner geben. Viele Verhandlungen sind nicht einmalig, weshalb wir gerade ein Modell benötigen, dass die Beziehung zum Verhandlungspartner nicht gefährdet. Genau dafür eignet sich das Harvard-Konzept.

Und selbst wenn Sie glauben, dass Sie eigentlich gar nicht verhandeln können, wird Ihnen dieses Modell helfen. Man muss weder charismatisch, noch ein besonderer Kommunikationsexperte sein, um gute Ergebnisse zu erreichen.

1.

Trennen Sie das Problem von den Menschen

Beginnen wir mit einer simplen Situation, nämlich einem Vorstellungsgespräch. Gemeinhin glauben wir, dass der Bewerber schlimme Ängste durchlebt, während der Arbeitgeber selbstbewusst auftritt und eher gelangweilt zuhört. Über Google finden wir viele Forenbeiträge, in denen Bewerber über diese Ängste berichten und Rat suchen. Ein Beitrag von einem Personaler, der sich vor einem Bewerbungsgespräch fürchtet, sucht man vergebens. Folglich scheinen nur Bewerber Angst zu kennen. Stimmt doch, oder?!

Nicht ganz. Auch der Personaler ist nur ein Mensch und hat folglich Ängste. Seine Ängste sind nur subtiler und vielleicht hat er gelernt, sie besser zu kaschieren. Aber sie sind vorhanden. Was kann den ein Personaler befürchten?! Es könnte sich zum Beispiel herausstellen, dass er Sie falsch eingeschätzt hat und sie für die Tätigkeit überhaupt nicht geeignet sind. Wie steht so ein Personaler vor seinen Kollegen und Vorgesetzten dar?! Vielleicht befürchtet er auch, dass Sie die Aufgabe nicht erfüllen werden oder gar können. Was ist, wenn Sie sich oft krank melden, mit den Kollegen oder Vorgesetzten nicht gut auskommen und einen schlechten Charakter haben?! Und all das wird erst nach Ihrer Einstellung deutlich.

Wie soll ein Personaler so einen schlechten Mitarbeiter los werden? Und wie erklärt er seinen Vorgesetzten, dass er sich so täuschen konnte?! Das sind nur einige Ängste, mit denen ein Personaler kämpfen muss. Ein Bewerbungsgespräch ist erwiesenermaßen nicht sehr gut geeignet, um den besten Mitarbeiter zu bestimmen und ein Personaler weiß das. Wenn er Sie also einlädt, dann seien Sie sicher, dass auch er seine Ängste hat.

Und was hat das mit dem Harvard-Konzept zu tun? Ganz viel. Die gröbsten Fehler in Verhandlungen unterlaufen uns, weil wir das Problem nicht gesondert von den Menschen betrachten können. Da steht ein selbstbewusster Mensch vor uns und fragt ganz knallhart, warum wir für diesen Job geeignet sind. Und wir zucken zusammen und unterstellen ihm böse Absichten. Doch haben Sie mal in Betracht gezogen, dass dieser Personaler ein ganz spezifisches Problem lösen möchte?! Er muss zeigen, dass es eine gute Entscheidung war, Sie einzuladen. Helfen Sie ihm dieses Problem zu lösen.

Das ist die erste Empfehlung des Harvard-Konzepts. Wenn Sie mit jemanden in Verhandlung treten, dann erinnern Sie sich daran, dass Sie zuallererst einen Menschen vor sich haben und das dieser Mensch gewöhnlich ein Problem lösen möchte. Dieses Problem kann, muss aber nicht, komplementär zu Ihrem sein. Wichtig ist, dass Sie diese zwei Ebenen getrennt betrachten können.

Vielleicht sind Ihnen die vier Seiten einer Nachricht nach dem Psychologen Schulz von Thun bekannt. Er behauptet, dass jede Nachricht, die wir senden, vier Botschaften enthält: einen sachlichen Inhalt, einen Appell, eine Aussage über die Beziehung zum Gegenüber und eine Selbstaussage. Es wird noch komplizierter, denn der Empfänger hört auch vier Botschaften und die können anders lauten als vom Sender gedacht.

Wenn Ihr Vorgesetzter Sie fragt, warum diese Arbeit noch nicht erledigt ist, dann interpretieren Sie mit vier Ohren, was er meint. In der Sache ist er vielleicht nur interessiert, warum die Arbeit noch daliegt. Sein Appell könnte lauten, dass Sie das sofort erledigen sollen. Die Beziehungsaussage könnte lauten, dass er Sie nicht mag und nur nach Gründen sucht, Sie immer wieder fertig zu machen. Und die Selbstaussage?! Naja, vielleicht sagt er Ihnen, dass er diese Arbeit schon längst erledigt hätte.

Klingt nach einen fiesen Chef, oder?! Könnte sein. Es könnte aber auch sein, dass Sie immer alles persönlich nehmen. Wer weiß das schon?! Fakt ist, dass wir hier ein grundsätzliches Problem der menschlichen Kommunikation vorliegen haben, dass in Verhandlung viel Stoff für Missverständnisse und Konflikte bietet. Besonders problematisch ist unsere Interpretation der Beziehungs- und Selbstaussage des Gegenübers. Wenn ich das Verhalten meines Gegenübers als arrogant oder fies interpretiere, dann höre ich die sachlichen Botschaften in einem ganz anderen Kontext.

Roger Fisher und William Ury werden deshalb nicht müde immer wieder zu betonen, wie wichtig es ist, dass wir unseren Verhandlungspartner als Menschen betrachten und ihnen keine böse Absicht unterstellen. Es mag böse Menschen geben, doch die Mehrheit benimmt sich in Verhandlungen unkooperativ, weil Sie ein Problem lösen möchte und einfach nicht weiß, wie weit man Ihnen trauen kann. Oder Ihr Gegenüber interpretiert eine Ihrer Botschaft auf der Beziehungsebene und fühlt sich gekränkt. Oder, oder, oder. Genau wissen wir das nie.

Deshalb sind wir sehr anfällig für falsche Interpretationen. Jeder von uns hat ein Ego - ob nun groß oder klein -, das leicht gekränkt werden kann. Wenn wir verhandeln, dann ist es wichtig, das zu beachten. Es geht nicht nur um eine sachliche Frage, sondern eben auch darum, wie wir unser Gegenüber betrachten und behandeln. Schwierigkeiten entstehen immer auf der menschlichen Seite. Sie können Ihren Verhandlungspartner nicht für sich gewinnen, wenn Sie ihm böse Absichten unterstellen. Selbst wenn Sie in der Sache prinzipiell die gleiche Lösung anstreben, wird Sie durch so eine Haltung erschwert.

Das klingt banal und doch verstoßen wir immer wieder gegen dieses Prinzip. Wir meinen nur sachlich zu argumentieren und übersehen die Beziehungsbotschaften, die wir dem anderen mitsenden. Er hört sie aber sehr gut und reagiert dementsprechend. Und wir wundern uns dann, warum er so unkooperativ ist. Wenn eine Verhandlung schlecht läuft, dann wird es Zeit zu prüfen, wie wir den Menschen behandeln. Hier liegt meistens das Problem.

Abraham Lincoln verstand dieses Problem sehr gut und war ein exzellenter Verhandlungsführer, wie man in Doris Goodwins Buch Team of Rivals nachlesen kann. In sein Kabinett holte er seine drei größten Kontrahenten und erwirkte, dass sie mit Ihm zusammen arbeiten. Er hat ein ganz einfaches Motto gehabt: kritisiere nie die Entscheidungen und Handlungen deiner Mitmenschen. Er gab selbst seinem größten Kontrahenten das Gefühl, dass er in seiner Situation wahrscheinlich genauso gehandelt hätte. Selbst seine Feinde kamen nicht umhin, Ihm dafür Respekt zu zollen.

Schauen Sie sich den unteren Ausschnitt aus dem Film Bobby (2006) an, der in meinem Augen verdeutlicht, welche Haltung sehr erfolgreich in Verhandlungen ist. Achten Sie auf die Stelle, in der der Koch die Haltung zu den Weißen erläutert.

2.

Konzentrieren Sie sich auf Interessen und nicht auf Positionen

Aus Interessen entstehen Positionen, verhandeln sollten wir aber nur über Interessen. Erinnern Sie sich an unser Beispiel mit den Straußeneiern. Hätte ich oder meine Komilitonin mal nachgehackt, wozu wir die Eier brauchen, wären wir zu einem besseren Ergebnis gekommen.

Nun könnte man einwenden, dass diese Situation sehr künstlich war und es in der Wirklichkeit kaum so wunderbar passt. Das mag stimmen, aber wir erzielen immer bessere Ergebnisse, wenn wir von den Positionen Abstand nehmen und uns auf die dahinterliegende Interessen konzentrieren. Und doch fällt es uns so schwer, diesen Grundsatz zu beherzigen. Warum?

Am deutlichsten sieht man das in politischen Debatten oder Verhandlungen. Hier werden sehr oft Positionen diskutiert und Interessen übersehen. Ich denke, dass liegt zum Teil an der Überzeugung, dass es eine Schwäche ist, für das Gegenüber Verständnis zu haben. Nehmen wir ein klassisches Beispiel, in der eine Nichtregierungsorganisation gegen ein Vorhaben der Politik kämpft. Obwohl solche Organisationen immer behaupten, dass sie für das Gemeinwohl eintreten, so sind ihre Argumente oftmals sehr einseitig und nicht selten verfälschend. Die Aussagen von Politikern werden in einer gut und böse Dichotomie dargestellt. Man sucht vergeblich nach Verständnis, geschweige denn nach objektiven Kriterien, die uns helfen zu verstehen, ob das Vorhaben wirklich so schlecht ist.

In solchen Fällen wird sehr oft um Positionen gefeilscht. Ich denke da beispielweise an die TIPP Verhandlungen, die den Handel zwischen Europa und Nordamerika vereinfachen sollen. Die Bürgerinitiative Campact kämpft gegen diese Verhandlungen und will es zum Scheitern bringen. Ihr Argument ist immer gleich: Das Abkommen wird dazu führen, dass amerikanische Firmen unter bestimmten Bedingungen den deutschen Staat verklagen können. Ferner wird Europa von genmanipulierten Produkten überschwemmt. Das ist Campacts Interpretation dieser Verhandlungen. Etwas anderes scheint es nicht zu geben. Nach Vorteilen dieser Verhandlungen sucht man vergeblich in ihren Ausführungen.

Das Gleiche finden wir auf der anderen Seite. Politiker erzählen uns nur von den positiven Auswirkungen eines solchen Abkommens. Probleme scheinen sie nicht zu sehen. Sie rechnen uns vielmehr vor, wie viel Gewinne ein solches Abkommen bringen würde.

In beiden Fällen haben wir es mit Positionen zu tun. Und jede Gruppe schreit Ihre Position laut in die Welt hinaus. Was würde denn passieren, wenn Campact nun verlautbaren würde, dass ein solches Abkommen prinzipiell gut wäre, aber zwei Aspekte sehr besorgniserregend sind?! Würden Sie damit Ihre Interessen wirklich aufgeben?! Das scheinen die Vertreter zu glauben. Vielleicht sind sie auch wirklich davon überzeugt, dass dieses Abkommen nichts Gutes bringt. Ich vermute aber, dass es sich in diesen Kreisen einfach nicht ziemt, mit Politikern Verständnis zu haben.

Dieses Phänomen begleitet uns ständig und verhindert nicht selten gute Verhandlungsergebnisse. Hinter allen Position stecken Interessen. Über Interessen kann man verhandeln, über Positionen nur streiten. Deshalb empfehlen Fisher und Ury zuerst nach den Interessen zu suchen.

Wie tut man das genau? Im Grunde ganz einfach. Stellen Sie immer wieder die Warum-Frage. Warum will der Vermieter so eine hohe Kaution? Warum will Deutschland ein Freihandelsabkommen mit den USA? Warum will Compact dieses Abkommen zum Scheitern bringen? Warum will mein Gegenüber die Straußeneier kaufen? Nehmen Sie niemals an, dass Sie die Antwort bereits kennen. Sobald Sie die Warum-Fragen meiden, weil Sie die Antworten kennen, kommen Sie mit Ihrem Verhandlungspartner in Schwierigkeiten.

Dabei kann man immer im Hinterkopf behalten, dass die meisten Interessen sehr menschliche Interessen sind. Dazu zählt Sicherheit, Wohlstand, Anerkennung, ein Gefühl der Zugehörigkeit und Kontrolle über das eigene Leben. Ihr Gegenüber ist wahrscheinlich von solchen Interessen motiviert, genauso wie Sie selbst auch.

Was ebenfalls immer wieder übersehen wird, ist die Tatsache, dass Menschen gewöhnlich mehrere Interessen verfolgen. Und hier liegt viel Raum für erfolgreiche Einigung. Hier kommt das Homanns-Theorem in Spiel. Erfolgreiche Verhandlungen erfordern, dass ich etwas von meinen Gütern abgebe, deren Verlust mich nicht sehr schmerzt, meinem Gegenüber aber viel Freude bereitet. Umgekehrt gibt mir mein Gegenüber etwas, das ihm nicht so wichtig ist mir aber schon.

3.

Entwickeln Sie Optionen zum beiderseitigem Vorteil

Nun wird es schwierig. Wir haben schon viele Hürden überwunden. Unser Verhandlungspartner wird nicht mehr als Fiesling betrachtet und wir beginnen uns sogar dafür zu interessieren, welche Interessen dieser Mensch hat. Nun sollen wir aber Optionen vorschlagen, die nicht nur uns gut tun, sondern auch ihm?!

Genau. Das klingt schwieriger als es tatsächlich ist. Es ist immer nur dann schwierig, wenn Sie die ersten beiden Empfehlungen ignorieren. Sobald Sie dem Verhandlungspartner als Mensch begegnen und etwas über seine Interessen in Erfahrung gebracht haben, dann erschließen sich bereits automatisch Optionen, mit denen alle gut leben können.

Bringen wir noch einmal das Beispiel mit den Straußeneiern. Hätte ich gewusst, dass mein Partner nur den Eierinhalt braucht, dann hätte ich sofort vorgeschlagen, dass wir die Eier gemeinsam billig kaufen und im Anschluss die Schalen von dem Inhalt trennen. Aber genau diese Informationen fehlten mir.

Bei der Suche nach Optionen für alle geht es im Grunde darum, den Kuchen zu vergrößern, bevor er aufgeteilt wird. Trotzdem fällt uns das sehr schwer und das hat immer die gleichen Gründe. Wir haben uns zum Beispiel bereits entschieden. Wozu also suchen? Oder wir meinen, dass es nur eine richtige Antwort gibt. Meisten kennen wir Sie schon. Manchmal sehen wir auch den Kuchen vor uns und wissen, dass er nicht größer wird. Und fast immer sind wir überzeugt, dass es nicht unsere Aufgabe ist, die Probleme der Anderen zu lösen. Sollen die sich gefälligst selbst darum kümmern.

Das sind Haltungen die sich nur Haie erlauben können und auch nur dann, wenn sie mit anderen einmalig verhandeln. In wiederkehrenden Verhandlungen scheitern selbst Haie. Deshalb die Empfehlung sich von solchen Überzeugungen zu verabschieden. Sie führen nur zu schlechten Ergebnissen.

Wie entwickeln Sie nun Optionen für beide Parteien? Hier gibt es einige Möglichkeiten. Ein guter Start wäre, das Entwickeln von Optionen zu trennen von der Entscheidung über diese Optionen. Das kann man sowohl in den eigenen Reihen - indem man beispielsweise Freunde um Vorschläge bietet - als auch mit den Verhandlungspartner. Man muss sich ja nicht gleich festlegen. Hier kann man bereits seine Optionen erweitern. Meistens gibt es mehr als nur eine richtige Antwort. Suchen Sie also nach verschiedenen Antworten.

Falls Sie Schwierigkeiten haben alternative Optionen zu finden, dann betrachten Sie das Problem mit den Augen verschiedener Experten. Wie würde ein Ökonom, ein Jurist, ein Biologe, ein Ingenieur, ein Physiker, ein Psychologe usw. das Problem betrachten. Diese Übung bringt meisten neue Erkenntnisse, die man dann wunderbar nutzen kann.

Eine weitere Möglichkeit liegt in der Suche nach gemeinsamen Gewinn. Generell gehen wir in Verhandlungen mit der Einstellung “Was ist für mich drin?” und das schränkt unsere Sicht enorm ein. Davon abgesehen leidet die Beziehung zum Gegenüber meistens unter solch einer Haltung. Wer nun fragt “Was ist für uns beide drin?”, sieht plötzlich ganz neue Möglichkeiten. Haben Sie keine Angst vor dieser Einstellung. Sie sollen ja nicht Ihre Interessen aufgeben, Sie sollen nur schauen, ob die nicht zufällig kompatibel sind mit den Interessen Ihres Gegenübers.

4.

Bestehen Sie auf die Anwendung objektiver Kriterien

Das Harvard-Konzept hat bisher viel von Ihnen verlangt. Meisten stellen alle die gleiche Frage: Wie sichere ich mich vor Betrug? Darum soll es nun gehen. Sie sollen Ihre Interessen nicht aufgeben und Sie müssen nicht ein Hai werden, um endlich erfolgreich zu verhandeln.

Wie schützen Sie sich vor schlechten Ergebnisse oder einfach nur vor Haien? Sie bestehen auf objektive Kriterien. Wenn Ihr Gegenüber einen Vorschlag unterbreitet, dann bestehen Sie immer darauf, dass diese Person Kriterien anführt, die diesen Vorschlag nachvollziehbar machen.

Nehmen wir an Sie sind im Begriff ein Haus zu kaufen und sehen sich verschiedene Angebote an. Ein Haus gefällt Ihnen besonders gut. Der Verkäufer möchte dafür 250.000 € haben, Sie wollen nicht mehr als 200.000 € zahlen. Wie beginnt man hier? Zunächst können Sie den Verkäufer fragen, wie er zu dieser Summe gelangte. Irgendwelche Kriterien muss er gewählt haben, um 250.000 € zu fordern. Bestehen Sie darauf, diese zu erfahren.

Nehmen wir an, dass er diese Summer möchte, weil das Haus zwei Straßen weiter für 255.000 € verkauft wurde. Das ist ein objektives Kriterium. Beim Hauskauf geht es oftmals auch um die Lage und der Verkäufer orientiert sich daran. Hier haben Sie wiederum Spielraum für Verhandlungen. Sie könnten erwidern, dass Sie das nachvollziehen können, gleichzeitig vorschlagen, dass man sich anschaut, zu welchen Preis die zwei Häuser drei Straßen weiter verkauft wurden. Vielleicht kosteten die nur 220.000 €. Und so kann man weiter verhandeln.

Es ist keine einfache Aufgabe immer die objektiven Kriterien zu benennen. Wenn Ihnen Ihr Gegenüber keine nennen möchte oder kann, dann haben Sie aber einen Grund, die Verhandlungen zu blockieren. Sie sollten niemals einem Angebot zustimmen, wenn Ihnen der Partner keine objektiven Kriterien nennt. Es kann natürlich sein, dass seine Gründe zu persönlich sind. Beispielweise kann es sein, dass der Verkäufer des Hauses in großen Schwierigkeiten steckt und einfach eine so hohe Summe verlangt, weil er Schulden begleichen muss. Das wird Ihnen nicht jeder verraten. Doch Sie haben dann die Möglichkeit das Angebot abzulehnen. Fehlende objektive Kriterien weisen darauf hin, dass etwas faul ist. Wenn Sie mit einem Hai verhandeln, dann können Sie mit dieser Empfehlung immer herausfinden, ob Sie im Begriff sind, über den Tisch gezogen zu werden.

Umgekehrt sollten auch Sie in der Lage sein, objektive Kriterien zu nennen. Um Ihnen die Suche leichter zu gestalten, nenne ich einige objektive Kriterien.

  • Marktwert
  • Wissenschaftliche Erkenntnisse
  • Effizienz
  • Kosten
  • Wie ein Gericht entscheiden würde
  • Präzedenzfall
  • Moral
  • Reziprozität
  • Tradition

5.

Entwickeln Sie eine Alternative zum Verhandlungsergebnis

Manchmal hilft alles nichts. Sie haben alles versucht und müssen feststellen, dass kein Ergebnis möglich ist. Was tun? Wenn Sie an diesem Punkt erst beginnen zu überlegen, was für Alternativen Sie haben, dann stecken Sie wahrscheinlich in großen Schwierigkeiten.

Die letzte Empfehlung von Fisher und Ury könnte ebenso auch die erste sein. Entwickeln Sie vor den eigentlichen Verhandlungen Optionen, was Sie tun werden, wenn keine Einigung möglich ist bzw. wenn die Einigung erfordert, dass Sie Ihre Interessen verraten müssen. Spielen Sie bereits zu Beginn mit dem Gedanken, dass es nicht klappen wird.

Was ist wenn Sie den Job nicht erhalten werden? Was wenn das Haus zu teuer ist? Was wenn die andere Partei Ihre Kriterien nicht offen legen will? An welchem Punkt breche ich die Verhandlungen ab?

Wenn Sie Ihre Grenzen kennen, wissen was Sie bereit sind zu geben, dann haben Sie Macht in den Verhandlungen, selbst wenn Sie mit jemanden verhandeln, der vordergründig mächtiger wirkt. In Verhandlungen bedeutet Macht, eine gute Alternative zu haben, wenn es zur keiner Einigung kommt. Diese Macht wirkt sich auch auf Ihre Psyche aus. Wie überzeugend werden Sie verhandeln, wenn klar ist, dass Sie das Haus bis Ende des Monats verkaufen müssen? Werden Sie in dieser Situation den Preis erhalten, den Sie wirklich wollen?! Um welchen Job werden Sie sich bewerben, wenn Sie gerade arbeitslos sind und in einem Monat drohen in HarzIV zu rutschen?! Wird es Ihr Traumjob sein oder das erst Beste?!

Sie verstehen nun, warum Alternativen so wichtig sind. Sie wirken selbstbewusster und sicherer, wenn Sie Ihre Grenzen kennen. Und Ihr Gegenüber wird es ebenfalls bemerken. Es gibt einen Bereich, in dem man das wunderbar beobachten kann. Kennen Sie Filme über Drogensucht?! Erinnern Sie sich, wie Süchtige geklaute Ware verkaufen und welche Preise Sie dafür nehmen?! Ihre Waren wechseln immer zu Spottpreisen die Hände. Verständlich, Sucht erlaubt es nicht, Alternativen zu entwickeln. Alles muss schnell zu Geld werden.