Wir sind alle ein wenig schizophren! Doch, glauben Sie mir. Ich kann es beweisen. Am besten können wir das beobachten, wenn es um Veränderungen geht. Wir nehmen uns vor, etwas zu verändern und boykottieren dann genau dieses Vorhaben. Kommt Ihnen das bekannt vor?! Dann sind Sie wahrscheinlich schizophren.

Doch keine Sorge, wir sind es alle. Es liegt in unserer Natur. Auch ich kämpfe ständig mit dieser Schizophrenie. Denken Sie an all die gescheiterten Vorhaben in Ihrem Leben. Jeder Mensch kann eine Liste solcher Vorhaben erstellen; Gescheiterte Diäten, Rauchfreies Leben, mehr Sport, weniger Facebook, Dinge sofort erledigen, ein Buch schreiben, sozialer werden usw.

Woran liegt es, dass wir mit Eifer eine Veränderung anstreben und sie dann mit noch größerem Eifer boykottieren. Gut, manch einer wird einlenken, dass es nicht seine Schuld war, dass er dieses oder jenes nicht umsetzten konnte. Es waren die Umstände oder andere, die es zum Scheitern führten. Wer aber ehrlich ist, wird sofort sehen, dass wir diese Umstände sind. Wir geben unsere Vorhaben auf.

Also, woran liegt das?! Verstehen Sie sich selbst?! Nein?! Dann lesen Sie weiter. Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen, die ich vor Kurzem selbst gelesen habe.

Ein suizidaler Elefant und sein grübelnder Reiter

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf einem Elefanten. Der Elefant, ein mächtiges Tier mit viel Kraft, soll von Ihnen geführt werden. Zunächst läuft alles gut. Sie führen den Elefanten eine gerade Straße entlang und das Tier gehorcht. Die Straße ist lang und der Weg weit. Sie spornen den Elefanten an, schneller zu laufen und wieder gehorcht das Tier. Voller Stolz reiten Sie den Elefanten und erfreuen sich Ihrer Führungskompetenzen.

Plötzlich erblicken Sie in der Ferne das Ende der Straße. Bald geht es entweder nach rechts oder links, aber nicht mehr nach vorne. Sollten Sie weiter geradeaus reiten, stürzen sie eine Schlucht hinunter. Nun gilt es den Elefanten zu verlangsamen. Doch er rast weiter. Sie geraten in Panik und strengen sich noch mehr an, um ihn abzubremsen. Der Elefant verlangsamt zwar, aber ist noch immer zu schnell. Nun sind sie nur noch wenige Meter vor dem Abgrund. Sie fragen sich, ob der Elefant suizidal ist?! Sieht das Tier den Abgrund nicht?! Unbekümmert von Ihren Überlegungen galoppiert es weiter.

Der Abgrund blickt sie an und nun geht es darum, die Kurve zu nehmen, auch wenn es bei dieser Geschwindigkeit kaum gelingen wird. Auf einmal stellen Sie sich die Frage, welche Kurve Sie nehmen sollen?! Rechts oder Links?! Sie geraten noch mehr in Panik. Und während Sie noch überlegen, geschieht es: Der Elefant stürzt mit Ihnen den Abgrund hinab.

Keine Sorge, Sie haben überlebt und der Elefant ist ebenfalls wohlauf. Einige Narben werden bleiben, aber das Leben endet hier nicht. Natürlich stellt sich die Frage, ob Sie einfach nur einen suizidalen Elefanten erwischt haben. Soll es ja geben. Aber eigentlich verdeutlicht diese Geschichte, warum wir uns so schwer mit Veränderungen tun.

Emotion gegen Logik. Wer siegt?!

Sie haben es vielleicht schon erkannt: Sie sind dieser Elefant! Und Sie sind dieser Reiter! Ganz genau. Lassen Sie mich erklären. Der Elefant symbolisiert unsere emotionale und instinktive Seite. Es ist der Elefant, der nach dem Stück leckere Schokolade greift. Es ist der Elefant, der auf Facebook postet, während Sie einen Bericht schreiben wollen. Es ist der Elefant, der auf der Couch liegen bleibt, während Sie joggen möchten. Der Elefant ist faul, wild und immer auf der Suche nach schneller Befriedigung. Der Reiter hingegen symbolisiert unsere rationale Seite. Der Reiter denkt nach, plant, löst Probleme und weiß, was gut ist. Er kann in die Zukunft blicken und erkennt, was langfristig zu tun ist. Jede Veränderung, die Sie angehen wollen, kommt von diesem Reiter.

Doch was soll dieser kleine Reiter gegen einen so wilden Elefanten ausrichten?! Verstehen Sie nun, warum wir so oft scheitern?! Wenn der Elefant im Konflikt mit dem Reiter steht, dann haben Sie verloren. Der Elefant ist voller Energie, aber diese Energie nutzt er in einer Weise, die uns oft schadet. Der Reiter bemüht sich den Elefanten gute Argumente zu liefern, warum er jetzt keine Schokolade essen sollte. Doch es nützt nichts. Der Elefant sieht nur diesen Moment. Und in diesem Moment möchte er Schokolade.

Doch verzagen Sie nicht. Es gibt Abhilfe. Der Elefant kommt mit Stärken daher und der Reiter kann seinerseits ganz schön nerven. Ohne die Energie des Elefanten, würden wir nicht für unsere Kinder sorgen, wir würden auch nicht für die Rechte anderer eintreten. Das geht nur mit Energie und Leidenschaft und davon hat der Elefant genug. Und hier kommt die Überraschung: der Elefant sorgt dafür, dass Dinge erledigt werden, nicht der Reiter. Der Reiter neigt zum Grübeln, er analysiert manchmal zu viel und gibt nie Ruhe. Und vergessen wir nicht, dass es der Reiter war, der in kritischer Situation noch überlegen musste, ob wir nun Rechts oder Links abbiegen sollen. Und sollten Sie schlaflose Nächte kennen, dann war wahrscheinlich der Reiter zugange. Der Elefant kennt keine schlaflosen Nächte.

Ich gebe zu; die Geschichte ist nicht neu. Im Volksmund sprechen wir vom inneren Schweinehund, Platon verglich unsere schizophrenen Teile mit einem Pferdewagen, Goethe dichtete über die zwei Seelen in einer Brust und Freud gründete darauf seine Psychoanalyse. Aber selten las ich eine bessere Metapher als die vom Elefanten und Reiter. Die Idee kommt von dem Psychologen Jonathan Haidt. Bekannt wurde sie aber durch Chip und Dan Heath, die in dem Buch “Switch. Veränderungen wagen und dadurch gewinnen” ein geniales Konzept entwerfen, wie Veränderungen einfacher gelingen können. Sie versprechen kein Heilmittel, aber doch eine Milderung.

Drei Gründe, warum unsere Vorhaben scheitern

Die beiden Wissenschaftler ziehen nämlich drei interessante Einsichten aus der Elefantengeschichte. Zunächst die schöne Einsicht, dass wir manchmal mit einem Situationsproblem konfrontiert sind, auch wenn es nach einem menschlichen Problem aussieht. Sie kennen sicherlich die Vorwürfe, die Sie sich machen, wenn wieder einmal eins Ihrer Vorhaben gescheitert ist. Doch vielleicht sind Sie gar nicht das Problem?! Vielleicht müssen Sie einfach nur die Umstände ändern, damit Ihr Vorhaben demnächst gelingt. Jemand der aufhören möchte zu rauchen, sollte keine Zigaretten zur Hand haben. Jemand der abnehmen möchte, sollte vielleicht einfach nur kleinere Teller benutzten. Wozu den Elefanten unnötig reizen?!

Zugegeben, diese Ratschläge sind zu simpel. Die Wissenschaftler kommen noch mit ganz anderen Beispielen, die sich im Marketing, im privaten, politischen und beruflichen Bereich anwenden lassen. In späteren Artikeln werde ich einige der Ideen vorstellen. Hier geht es nur um das Konzept.

Und hier kommt die zweite Einsicht: Was machmal wie Bequemlichkeit oder schwacher Wille aussieht, ist nur pure Erschöpfung. Ich habe lange in einer Suchtklinik gearbeitet. Süchtige sind Menschen, die gleich eine Herde von Elefanten steuern müssen. Dabei funktioniert Ihr Reiter ausgezeichnet. Sie wollen keine Drogen nehmen und tun es trotzdem. Dabei fiel mir ein Verhalten immer wieder auf. Einige dieser Menschen besuchen immer wieder ihre alte Szene, um sich zu testen. Sie wollen sehen, wie die Nähe zu Drogen auf sie wirkt.

Löst es in mir etwas aus? Möchte ich da wieder hin? Nein.

Sie kehren stolz zurück und sind überzeugt, mit dieser Phase ihres Lebens abgeschlossen zu haben. Was glauben Sie, wie lange diese Süchtigen clean bleiben?! Richtig! Nicht sehr lange. Wer seinen Elefanten immer wieder zur Schokolade führt, um sie ihm zu verbieten, erschöpft seine Kräfte. Der Reiter kommt mit einem starken Willen, aber dieser Wille kann nur kurzfristig den Elefanten bändigen. Irgendwann sind wir es einfach leid, dem Elefanten aufs Neue zu erklären, warum Schokolade tabu ist. In den Worten des deutschen Rappers Torch:

“Es tut mir leid, ist nur ne Frage der Zeit, wann selbst der Beste fällt.”

Wir glauben gerne, dass unser Wille besonders stark ist. Doch stimmt das wirklich?! Ich erinnere mich immer wieder an eine buddhistische Weisheit. Ein Zen Meister wurde gefragt, wie man sein Leben ändern kann. Darauf entgegnete er, man möge sich täglich für 30 Minuten hinsetzen und meditieren. Die Antwort gefiel dem Ratsuchenden nicht, worauf der Zen Meister sprach:

Du kannst keine 30 Minuten ruhig sitzen, glaubst aber, dein Leben ändern zu können?!

So oder ähnlich ging die Geschichte. Der Punkt ist aber klar. Wir scheitern bereits an Kleinigkeiten, sind aber doch immer überzeugt, alles unter Kontrolle zu haben. Wahrscheinlich wäre unser Leben einfacher, wenn wir öfters unsere Machtlosigkeit eingestehen könnten. Die Anonymen Alkoholiker leben uns das seit fast 80 Jahren vor. Die Trockenheit beginnt mit dem Eingeständnis der eigenen Machtlosigkeit. Nur wenn ein Alkoholiker zugeben kann, dass er den Alkohol nicht unter Kontrolle hat, kann er aufhören. Paradox, oder?! Aber es funktioniert und raubt weniger Kräfte.

Kommen wir zu letzten Einsicht aus unserer Elefantengeschichte. Erinnern Sie sich an die Überlegungen des Reiters, ob der Elefant nun rechts oder links abbiegen soll?! Wie sollte der Elefant nun wissen, wo er lang soll, wenn der Reiter keine klare Anweisung gibt. Chip und Dan Health meinen, dass uns oft eine klare Linie fehlt und das wirkt dann wie Widerstand. Ein Vorhaben, wie mehr Sport treiben oder gesünder Essen, scheitert, weil eine konkrete Anweisung fehlt. Weniger ist hier mehr. Statt mehr Sport treiben, sollten wir vielleicht beschließen, alle zwei Tage 20 Minuten zu joggen. Das wäre ein konkretes Vorhaben und der Elefant wüsste, was zu tun ist.

Rezept für gelungene Veränderungen

Sie wollen nun erfahren, wie Sie Ihr nächstes Vorhaben erfolgreich durchführen können?! Ganz einfach: Geben Sie dem Reiter eine klare Anweisung, holen Sie den Elefanten mit ins Boot und ebnen dann den Weg, den beide gehen sollen. Alles klar?! Nein?! Dann schauen Sie bald wieder vorbei.