Wachsen die unangenehmen Aufgaben? Ich behaupte ja, aber belegen kann ich es nicht. Immer wieder stelle ich mir die Frage, warum Arbeit heute weitaus belastender ist als in früheren Zeiten. Welche frühere Zeiten ich meine?! Auch das kann ich nicht genau bestimmen. Und doch werden mir viele zustimmen. Seien wir nicht zu genau. Intuitiv spüren wir doch alle, dass Arbeit heute nicht nur erfüllt, sondern auch oft erschöpft.

Und der Grund?!

Zu viele unangenehme Aufgaben müssen erledigt werden, so die Vermutung von Piers Steel. Doch warum empfinden wir heute mehr Aufgaben als unangenehm und schieben folglich mehr auf?! Eine Antwort fand ich in Daniel H. Pink’ Buch Drive. Was Sie wirklich motiviert. Demnach erfüllt Arbeit unter drei Bedingungen. 

1. Ich kann die Aufgabe selbstständig und autonom erledigen.

2. Ich kann die Lösungen selbst bestimmen.

3. Ich erkenne den Sinn der Aufgabe unmittelbar.

Und nun negativ formuliert:

1. Je mehr Kontrolle durch andere, umso unangenehmer die Aufgabe.

2. Je standardisierter das Verfahren, umso unangenehmer die Aufgabe.

3. Je weniger Sinn erkennbar, umso unangenehmer die Aufgabe.

Überzeugend, oder?! Sie wollen Beispiele?! Gerne.

Die Mehrheit der Deutschen arbeitet im Dienstleistungsgewerbe: Verkauf, Support, Büro, Praxen, Kliniken, Agenturen, öffentlicher Dienst, Gastronomie, Beratung usw. Dieser Branche gehört die Zukunft. Und diese Branche bringt alles mit, um die drei Bedingungen zu erfüllen: Meistens ist es möglich selbstständig zu arbeiten, der Zweck ist oft erkennbar und die Lösungswege sind unbegrenzt. Doch nicht alle Arbeitgeber haben es verstanden.

Ein Beispiel aus einer Suchtklinik

Die Therapeuten und Sozialarbeiter haben diese Arbeit gewählt, um mit Menschen zu arbeiten. Genau das befriedigt sie. Mit der Einführung von Qualitätsstandards und Berichtswesen verbringen sie nun die meiste Zeit vor dem PC, um zu dokumentieren, was sie eigentlich den ganzen Tag tun. Doch das reicht noch nicht. Hätten Sie wenigstens die Wahl es nach Ihren Vorstellungen zu tun, nein, die Form wird ihnen gleich mit vorgegeben. Ein Bericht muss genau so aussehen. Keine Autonomie, kaum Kreativität und der Zweck ging bei der Arbeit verloren.

Ich verstehe die Tendenz. Man möchte natürlich bestimmte Standards immer wieder zur Anwendung bringen. Doch manchmal schießen die Vordenker über das Ziel hinaus. Wir leben in einer Gesellschaft und Wirtschaft, die Freiheit ganz hoch hält. Und doch gibt es heute mehr Regulierung und Reglementierung als je zuvor. Normen, Vorgaben, Standars, Empfehlungen, Gesetze und Richtlinien wo man hinblickt. Im Grunde gibt es für jeden Vorgang ein Standard. Das klingt nicht gerade nach Freiheit. Auch hier kann ich das Grundprinzip verstehen, doch die Ausmaße sind nicht selten furchtbar.

Es wird nicht der einzige Grund für Prokrastination sein, aber trägt sicherlich dazu bei, dass immer mehr Menschen Aufgaben aufschieben. Nun hat man nicht immer die Wahl und es gibt eben Aufgaben, die unangenehm sind, aber erledigt werden müssen. Was tun?!

Es gibt fünf Strategien gegen Prokrastination, wenn man mit unangenehmen Aufgaben konfrontiert ist. Die wollen wir uns nun ansehen.

1.

Gestalten Sie Ihre Arbeit als Spiel

Welche Aufgaben sind besonders unangenehm?! Routinierte Aufgaben: Papier sortieren, Rechnungen schreiben, Daten zusammentragen, Exceltabellen füllen, Steuererklärung abgeben usw. Aufgaben, die keine Kreativität und kaum Denkvermögen fordern, empfinden wir als besonders unangenehm. Und das sind die Aufgaben, die wir gerne aufschieben.

Wer noch nie mit Excel gearbeitet hat, wird vielleicht noch Freude daran haben, es mit Daten zu füllen. Doch sobald wir eine Aufgabe beherrschen, wird sie zur Routine und nicht selten einfach nur langweilig. Doch das muss nicht so sein. Solche Arbeiten kann man mit Spielstrategien würzen. Sobald wir aus einer routinierten Aufgabe eine Herausforderung machen, empfinden wir gewöhnlich mehr Spass dabei.

Wie wäre es, die Arbeit nur in der halben Zeit zu erledigen?! Oder die Post nach einem neuen Muster zu sortieren?! Genauso motivierend kann ein Wettbewerb mit einem Kollegen sein, wer die Arbeit schneller erledigt. Die Auswahl an Spielen ist unbegrenzt und der Vorteil unmittelbar erkennbar.

Eine weitere hilfreiche Strategie besteht darin, den Sinn dieser Aufgabe zu erkennen.

Prokrastination nimmt mit dem Alter ab und das liegt zum Teil daran, dass ältere Menschen eher den Sinn einer Aufgabe erkennen können. Man erinnere sich an die Aussagen junger Schüler, die der Ansicht sind, dass die Schule nur Dinge lehrt, die man im Leben nie wieder braucht. Doch woher wissen die das, schließlich liegt das Leben erst vor Ihnen?! Jungen Menschen fällt es schwerer das große Ganze zu verstehen, weshalb für sie mehr Aufgaben unangenehm sind. Müll wegbringen soll einen Sinn haben?!

Nun kann man sich bei diesen Aufgaben bemühen, den Zusammenhang zu erkennen, damit die Aufgabe sinnvoller wird. Wir schieben weniger auf, wenn uns klar ist, wozu diese Aufgabe dient.

Vor geraumer Zeit erzählte mir eine Bekannte, wie es eben nicht geht. Jede Woche muss sie eine Produktivitätsstatistik führen. Täglich soll sie die abgeleisteten Stunden und Aufgaben eintragen. Im Grunde findet sie diese Idee gut, doch in diesem Fall schiebt sie es allwöchentlich auf. Und nicht nur sie, fast jede Abteilung tut es. Deshalb wird hin und wieder ein Kollege abgeordnet, alle Aufschieber zu besuchen, um sie zu erinnern, die Statistik zu füllen.

Wo liegt das Problem?

Ganz einfach, sie kann aus einer Reihe Aufgaben wählen, doch im Grunde passen auf ihren Arbeitsbereich nur zwei Antworten. Selbst wenn sie etwas anderes getan hat, wählt sie eine der zwei Antworten, weil alles andere noch weniger passt. Sie muss also eine Statistik führen, bei der sie regelmäßig lügt. Der Sinn ist nicht erkennbar. Und alle anderen stehen vor dem gleichen Problem. Die Entwickler haben ein paar Aufgaben eingepflegt und dieses Problem nicht bedacht. Seither erneuert niemand die Antworten und die Investition soll nicht umsonst gewesen sein. Also müssen alle wöchentlich schön lügen. Kafka lässt grüßen. Kein Wunder, dass fast alle diese Arbeit aufschieben.

Wenn man vor einer unangenehmen Arbeit steht, dann lohnt es manchmal, ein paar Minuten darüber nachzudenken, welchen Zweck und Sinn sie hat. Viele langweilige Arbeiten haben bei genauerer Betrachtung wirklich Sinn. Sobald man den findet, erscheint die Aufgabe gar nicht mehr so sinnlos.

Naja, und manchmal muss man einfach seine ganze Willenskraft zusammen nehmen und die Arbeit erledigen.

2. 

Vermeiden Sie Energiekrisen

Ich kann morgens um 5 Uhr aufstehen und bin sofort hellwach. Mein Geist ist klar und mein Denkvermögen auf einem hohen Niveau. Das hält bis 12 Uhr an, dann baue ich ab. Meinen Tiefpunkt habe ich gegen 15 Uhr. Und ab 18 Uhr bin ich wieder sehr leistungsfähig.

Ich bemühe mich meine Arbeit nach dieser Uhr zu richten. Und in den Stunden, wo ich sehr wenig leisten kann, erledige ich Dinge, die nicht viel Denkvermögen erfordern.

Im Produktivitätsbereich gibt es einen neuen Trend. Alles soll ‘wissenschaftlich’ gemessen werden. Smartphone-Apps und PC-Tools helfen dabei, den Tag gut zu organisieren und zu beobachten, wann man besonders leistungsfähig ist. Dann gibt es die Tools - wie Rescue Time und Time Doctor -, die beobachten, was man die Zeit am PC so treibt. Täglich kriegt man dann eine Statistik mit den Seiten, die man besucht hat. Alles dient dazu, sich besser kennen zu lernen.

Die Technik bereichert und verändert uns, allerdings bringt sie ihre eigenen Laster mit sich. Eins dieser Laster ist das Infoporno. Wissen Sie, wie viel Zeit sie mit dem Sammeln von Infos verbringen?! Informationen sind per se nicht schlecht. Doch oftmals sind es unzusammenhängende Schnipsel, die wir aufsaugen. Mit wahrer Erkenntnis hat das selten etwas gemein. Die Beobachtung des eigenen Verhaltens am PC - dem Hauptwerkzeug moderner Arbeitsplätze - kann jedenfalls sehr nützlich sein. Man muss es nicht übertreiben, aber ein Grundverständnis der eigenen digitalen Person kann helfen, Prokrastination zu bekämpfen. Die Messung der eigen Befindlichkeit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit ist in meinen Augen die moderne Variante des griechischen "Gnothi seauton - Erkenne dich selbst”.

Aber wozu?!

Um besser zu verstehen, was uns erschöpft. Fakt ist, dass unangenehme Aufgaben schwerer zu bewältigen sind, wenn wir damit zu einem Zeitpunkt beginnen, an dem wir einfach keine Kräfte mehr haben. Eine wichtige Mail sollte nicht in so einer Energiekrise geschrieben werden. Das Gleiche gilt für ein schwieriges Gespräch. Man konnte sogar nachweisen, dass Energiekrisen eine Rolle bei richterlichen Entscheidungen spielen. In dem Buch “Die Macht der Disziplin” beschreiben die Wissenschaftler Baumeister und Tierney von solchen Fehlentscheidungen. Offensichtlich sind Richter morgens gnädiger als nach dem Mittagessen. Wenn zwei Straftäter das gleiche Vergehen begangen haben, können sie damit rechnen, unterschiedlich bestraft zu werden, abhängig von dem Zeitpunkt der Anhörung.

Wer unangenehme Aufgaben erledigen muss, tut gut daran, zu beginnen, wenn Kräfte noch ausreichend vorhanden sind. Und noch ein Zusatz für die potentiellen Workaholics unter uns: Manchmal ist es sehr weise, seine eigenen Grenzen zu kennen und zu respektieren. Wenn die Kräfte weg sind, dann sind sie weg.

3. 

Schieben Sie produktiv auf

‘Der Feind meines Feindes ist mein Freund’, das Prinzip ist Ihnen sicherlich bekannt. Diese Strategie wollen wir nutzen, um das Aufschieben zu mildern. Wer aufschiebt, der tut in der Regel nicht Nichts. Meistens widmet er sich ganz besessen anderen Aufgaben. Der eine putzt die Wohnung, der andere vertieft sich in die Details des palästinensischen Konflikts, und wieder andere beginnen Ihre Steuererklärung.

Das nennt man produktives Aufschieben. Um eine Aufgabe nicht zu tun, tut man eine andere. Am Ende wurde viel erledigt, nur eben nicht das Richtige. Aber immerhin. Aufschieber sind nicht faul. Warum leiden diese Menschen trotzdem so sehr unter diesem Verhalten? Weil Ihnen die Freiheit fehlt, selbst zu entscheiden. Aufschub ist immer eine Art von Zwang.

Ich erinnere mich an eine gute Empfehlung, die ich während meines Studiums erhalten habe. Ich konsultierte einen Freund, weil ich bei einer Abschlussarbeit nicht vorankam. Ich konnte nichts schreiben und habe bereits drei Tage verloren. Ich machte mir nur Vorwürfe. Er sagte nur eins: Lege die Arbeit für sieben Tage beiseite, denke nicht daran, tue was auch immer du tun möchtest, nur nichts an dieser Arbeit. Wie bitte?! Sieben Tage?! Ich habe bereits drei verloren. Er beharrte darauf, es einfach zu probieren.

Ich tat es und das Ergebnis war verblüffend. Nach diesen sieben Tagen habe ich die Arbeit in ganz kurzer Zeit geschrieben und hatte viel Freude daran.

Warum half das?

Weil mein Freund mir die Freiheit gab, mich entscheiden zu können. Bis dahin schob ich auf, aber ohne eine Entscheidung getroffen zu haben. Es glich einem Zwang. Das raubte mir zusätzliche Kräfte. Sobald ich mich entschieden habe, fühlte ich mich befreit und tankte endlich neue Kräfte. Nachdem ich wieder voller Kraft war, konnte ich die Arbeit problemlos fertig schreiben.

Etwas sehr ähnliches empfiehlt der Experte Pier Steel. Wer vor einer unangenehmen Aufgabe steht, muss nicht gleich damit beginnen. Wenn es absehbar ist, dass man aufschieben wird, dann empfiehlt er ein produktives Aufschieben. Man wählt eine andere Aufgabe, die bisher ebenfalls aufgeschoben wurde, aber nicht ganz so dringend ist und mehr Freude bereiten wird. Und genau dieser Arbeit widmet man sich. Auch hier spielt das Element der freien Entscheidung eine wesentliche Rolle. Sie wählen, Ihre Arbeit aufzuschieben, um sich einer anderen zu widmen. Am Ende werden Sie mehr Kraft haben, die eigentliche Arbeit anzugehen. Versprochen.

4. 

Belohnen Sie sich nach einer Arbeit

Aufschieber sind notorische Selbstnörgler. Ein Aufschieber wartet bis zum letzten Moment. Mit eisernem Willen zwingt er sich dann kurz vor der Deadline, die Aufgabe endlich zu erledigen. Die Nacht wird dann durchgemacht, aber die Arbeit ist zumindest fertig. Was geschieht nun? Erleichterung und Freude?! Nein. Die Peitsche wird heraus geholt. Warum hast du wieder so spät begonnen? Du bist so faul und unverbesserlich. Du lernst es nie. Lauter Selbstvorwürfe.

Und hier liegt der Hund begraben. Aufschieber tun sich schwer mit Belohnungen. Eine erledigte Aufgabe ist eine erledigte Aufgabe und verdient Belohnung. Basta. Und genau das sollten Sie sich angewöhnen. Belohnen Sie sich, sobald eine Arbeit abgehackt wurde, egal ob zeitig oder wieder einmal auf den letzten Drücker.

Am besten Sie definieren die Belohnung, bevor Sie mit der Arbeit beginnen. Lassen Sie das zur Gewohnheit werden. Mit der Zeit werden Ihnen solche Arbeiten einfacher von der Hand gehen.

5. 

Suchen Sie sich eine neue Arbeit

Kommen wir zur letzten Empfehlung im Umgang mit unangenehmen Aufgaben. Ein gewöhnlicher Arbeitstag besteht aus acht Stunden. Diese Stunden können wie im Nichts vergehen, oder sich wie Monate anfühlen. Meistens ist es ein Mischung aus beiden. Doch wenn Ihr Arbeitstag fast immer Monate dauert, dann wird es Zeit, sich eine neue Arbeit zu suchen. Selbstverständlich finden sich in jedem Job unangenehme Arbeiten, doch manches liegt uns einfach nicht. Wenn Ihr Job nur aus solchen Arbeiten besteht, dann haben Sie eine falsche Wahl getroffen. Die beste Strategie gegen Prokrastination ist eine Arbeit zu finden, die wir leidenschaftlich gerne tun.

Ich spreche hier nicht über utopische Vorstellungen, eine Arbeit zu findet, die nur voller Freude ist, sondern vielmehr eine Arbeit, die unserem Wesen mehr entspricht. Stattdessen entscheiden sich Menschen sehr oft für Sicherheit. Und der Preis ist hoch. Egal in welchem Bereich ich gearbeitet habe, immer traf ich Menschen, die sehr unglücklich waren und Ihre Arbeit einfach hassten. Warum wechselten diese Menschen nicht? Weil sie einen unbefristeten Vertrag und ein sicheres Einkommen nicht aufs Spiel setzten wollten. Verständlich. Aber wenn man ein Aufschieber ist und das zum Teil deshalb, weil man ständig nur Arbeiten erledigt, die man hasst, dann helfen alle Strategien nichts. So kann Prokrastination nicht überwunden werden. Ein Jobwechsel ist manchmal die einzige Alternative.